Anonymus - Filmkritik
Der deutsche Hollywood-Regisseur Roland Emmerich kehrt nach 2 Jahren wieder zurück auf die Leinwand. Wenn man diesen Satz hört denkt man sich „Oh ja jetzt wird’s bombastisch und riesig.“ Doch das wird man Ihnen widersprechen. Mit seinem neuen Film „Anonymus“ verfolgt er nicht nur die provokante These, dass William Shakespeare seine Stücke nicht selber verfasst hat, sondern er beweist auch, dass er mehr kann, als nur Explosion und Zerstörung. Mit einem für Roland Emmerich bescheidenen Budget von 30 Millionen Dollar wagt er sich auf die Kinoleinwand.
London in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts: Am Hofe von Elizabeth I.(jung: Joely Richardson, alt: Vanessa Redgrave) reiht sich eine Intrige an die andere. Die engsten Berater der Königin, William Cecil (David Thewlis) und sein Sohn Robert Cecil (Edward Hogg), wollen, dass der König Schottlands James VI. Elizabeth auf den Thron nachfolgt. Daher setzen sie alles, um ihre Widersacher, den Graf von Southhampton (Xavier Samuel) und den Graf von Sussex (Sam Reid), am Hofe unbeliebt zu machen und sie in Misskredit zu bringen. Dies wollen sie erreichen, indem sie den Pöbel gegen die beiden Grafen aufheizen. Doch dieser ist buchstäblich hingerissen von den Bühnenstücken des aufstrebenden Autors und Ex-Schauspieler William Shakespare (Rafe Spall). Was die Leute nicht ahnen, dass der Graf von Oxford (Rhys Ifans) dem jungen Autor zu spielt. Denn nicht Shakespeare steckt hinter den Bühnenstücken, sondern der Graf von Oxford. Doch aufgrund seines adligen Standes, darf dieser seine Stücke nicht unter seinem Namen veröffentlichen…
Wem das hier schon zu viel Handlung ist, der sollte sich diesen Film gar nicht erst ansehen, sondern einen großen Bogen um ihn machen. Denn diese kurze Inhaltsangabe ist nur ein minimaler Abriss des komplexen und komplizierten Plots. Der Film startet im heutigen New York und geht dann in eine Rückblende, einer Rückblende, einer Rückblende, die sich dann in der 2ten Rückblende wiederfindet und diese dann in der 3ten Rückblende fortgeführt wird. Der Film punktet mit der provokanten These, dass William Shakespeare seine Stücke nicht selbst verfasst hat, sondern dass er einen Ghostwriter hatte. Doch er verliert ganz klar an Spannung durch die ständigen Wechsel der Zeit.
Es wäre viel einfacher gewesen hätte man die Intrigen am Hofe eher auf Sparflamme gekocht und sich mehr um die spannende These des William Shakespeares gekümmert. Man hätte diese so schön ausarbeiten können und eine interessante, aber auch sehr spannende und komplexe Geschichte schreiben können. Stattdessen ist es fast schon verkehrt herum. Die These ist in der letzten Stunde des Films quasi zweitrangig und durch die ständigen Zeitwechsel verliert der Film leider an Dynamik, die man allerding, wenn man es anders gemacht hätte, erhalten hätte und man hätte einen tollen Film gemacht. Nichts des do Trotz ist „Anonymus“ kein misslungener Film, sondern beweist Roland Emmerich hier, dass man als Zuschauer sich den Gang zur Toilette eher sparen sollte, weil man sonst einen wichtigen Teil des Plots verpasst und man somit schon nicht mehr weiß wo einem der Kopf steht. Denn in Roland Emmerichs sonst so einfachen Blockbustern konnte man mal kurz den Raum verlassen, ohne dass man gleich den roten Faden verlor. Das ist hier anders.
Ein Pluspunkt ist die Besetzung von „Anonymus“. Der niemals vergessene Freund von Hugh Grant in „Notting Hill“ Rhys Ifans ist brillant als Graf von Oxford und eine weitere Person über die man sich freuen kann ist der bislang noch unbekannte Brite Rafe Spall, der den in diesem Film kleingeistigen und geldgeilen dargestellten William Shakespeare verkörpert. Der Film ist nämlich dann am besten, wenn er seinem Spiel freien Lauf lässt und man Spaß hat ihm zu zusehen. Die beiden Elizabeths Joely Richardson als junge Queen und Oscar-Preisträgerin Vanessa Redgrave als alte Queen sind sehr gut und passen ihr Spiel sehr zur Freude der Zuschauer gut aufeinander ab. Der Bösewicht David Thewlis bleibt sehr blass. Am besten sind hier wirklich Rhys Ifans und Rafe Spall.
Fazit:
„Anonymus“ ist kein schlechtgemachtes Historiendrama, dass allerdings unkontrollierbar durch die Zeit springt und dem Zuschauer es schwer macht, der so komplexen Handlung zu folgen. Andererseits punktet es durch die leider zu selten aufgegriffene These, dass William Shakespeare nicht der Autor seiner atemberaubenden Stücke war.
Wir geben 6/10 Punkten.
Kritik geschrieben von Jannik Schorn.